Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 16. März 2023
TO 8: 1. Lesung CDU/CSU-Entwurf eines Stromversorgungssicherungsgesetzes
Dr. Nina Scheer (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spahn, es ist immer wieder interessant, dass Sie hier versuchen, Ihre Forderungen als die nur von Ihnen erklärten Forderungen zu deklarieren. Dabei sind die von uns umgesetzten Maßnahmen natürlich schon lange vorher auch unsere Forderungen gewesen und nicht erst zu unseren Forderungen geworden, nachdem Sie sie erhoben haben. Das versuchen Sie immer wieder glauben zu machen, es wird dadurch aber nicht richtig.
Die ganzen Maßnahmen, die auf den Weg gebracht wurden – das Osterpaket, das Herbstpaket, der Energie-Booster im letzten Jahr und jetzt die Umsetzung der Notfallverordnung -, müssen jetzt greifen.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Die SPD hat sich gegen eine Verlängerung der Kernkraftwerke gestellt!)
Die Zahlen – Sie kennen die Zahlen wahrscheinlich auch – zeigen ganz klar, dass wir einen deutlichen Zuwachs erneuerbarer Energien haben, dass die Maßnahmen jetzt zu greifen beginnen. Der rückläufige Verbrauch ist nicht nur witterungsbedingt erklärbar; ein Anteil ist witterungsbedingt. Aber es ist klar: Die Maßnahmen wirken jetzt allmählich. Die Maßnahmen, die wir beschlossen haben, brauchen eine gewisse Zeit, aber man kann erkennen: Sie wirken. Wir werden einen weiteren deutlichen Zuwachs an Erneuerbaren bekommen und dadurch den CO2-Ausstoß mindern und Versorgungssicherheit gewährleisten.
Wenn Sie sich wirklich auf die nackten Zahlen stützen, die Sie wahrscheinlich kennen, dann müssten Sie auch konstatieren, dass der Bericht der Bundesnetzagentur die Versorgungssicherheit für gegeben erklärt. Deshalb ist es irreführend, wenn Sie dann in Ihrem Gesetzentwurf unterstellen, dass dies nicht der Fall ist, indem Sie in den Zitaten, in denen Sie sich auf den Bericht berufen, genau die Absätze weglassen, die klarstellen, dass die Versorgungssicherheit sehr wohl gewährleistet ist.
Diesen gleichen Trick wenden Sie in Ihrem Gesetzentwurf ebenfalls an, wenn es darum geht, dass doch bitte jetzt die Atomenergie genutzt werden solle. Sie verwenden Zitate aus dem Bericht der Expertenkommission und wollen damit glauben machen, dass hier vorgeschlagen werde, doch auf Atomenergie zu setzen. Sie lassen dann aber in den Zitaten eben genau den Satz weg, in dem darauf hingewiesen wird, dass wir den Fokus auf erneuerbare Energien legen sollen. Das sagt die Expertenkommission nämlich: den Fokus auf erneuerbare Energien legen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
In Ihrem Gesetzentwurf ist an einigen Stellen genau diese Mogelpackung zu erkennen, die dann letztendlich die Expertise, die Sie mit diesem Gesetzentwurf hier einbringen wollen, unglaubwürdig erscheinen lässt. Diese Expertise kann definitiv nicht vorhanden sein, wenn Sie weiter auf Atomenergie setzen.
Insofern fand ich es auch entlarvend, dass Sie jetzt gerade gesagt haben: Kernkraft ist Klimakraft.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Ja! Ist doch so!)
Sie haben den Verweis „temporär“ hinterhergeschoben; aber das ist doch Ihre eigentliche Überzeugung. Ihr Gesetzentwurf sagt dann zwar: „nur im Moment“, zeichnet aber eine Zeitachse auf, von der Sie genau wissen, dass in diesem Zeitraum überhaupt keine Atomenergie gewonnen werden kann, so wie Sie sich das vorstellen; denn der Streckbetrieb der drei Atomkraftwerke läuft jetzt aus, und sie haben auch keine Brennelemente mehr. Es ist falsch, sich von Ihnen auf diese Gedankenfährte leiten zu lassen; denn wir brauchen diese Atomkraftwerke nicht.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Aber Kohlekraftwerke!)
Wir wollen auf Erneuerbare setzen. Das ist billiger, das ist sicherer. Wir verursachen keine Endlagerfolgekosten für die nachfolgenden Generationen, sondern wir schaffen langfristig Versorgungssicherheit, die auch bezahlbar ist. Immer nur kurzfristig zu denken, immer nur Schnappatmung – das fordert die CDU/CSU leider immer. Sie denken nur kurzfristig, von heute auf morgen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP))
Ich möchte noch kurz auf die Änderungen, die Sie ganz konkret vorschlagen, eingehen. Ich muss sagen: Gewisse Vorschläge teilen wir auch, ja, die haben wir zum Teil schon beschlossen; ich will gar nicht sagen, dass sie falsch sind. Aber wir brauchen Ihren Gesetzentwurf nicht, um genau diese Dinge auf den Weg zu bringen; denn wir haben sie in Teilen auch schon auf den Weg gebracht. Das gilt zum Beispiel für die Agri-PV, die Sie fordern. Dazu kann ich sagen: Schauen Sie in unseren Entschließungsantrag.
(Jens Spahn (CDU/CSU): Wir brauchen Gesetze! Keine Entschließungsanträge!)
– Sie sagen ja auch nur, was gemacht werden soll. – Also, schauen Sie auf das, was angeschoben wurde, wofür ein Konzept vorgelegt wurde und das genau schon in der Umsetzung ist.
Ich nehme kurz Bezug auf den Braunkohletagebau. Sie wollen, dass diese Flächen konzentriert für den Ausbau der erneuerbaren Energien genutzt werden. Sie haben offenbar nicht mitbekommen – ich möchte Sie noch einmal daran erinnern -, dass wir hier Ende letzten Jahres ein Gesetz zur sofortigen Verbesserung von Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht beschlossen haben. Das haben wir in einem anderen Ausschuss erarbeitet; vielleicht haben Sie es deswegen nicht mitbekommen. Ihre Fraktion hat dagegengestimmt. Damit haben wir genau das ermöglicht.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Liebert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Meine Redezeit ist leider zu Ende. Ich könnte noch eine ganze Reihe von Maßnahmen nennen. Ich möchte noch einen kurzen Hinweis geben: Sie haben sich auch bei bestimmten Fristen vertan. Vielleicht gucken Sie da noch mal rein: Die Fristen divergieren in Gesetzestext und Begründung. Ihr Gesetzentwurf ist insofern schon rein rechtstechnisch gar nicht anwendbar.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Konrad Stockmeier (FDP))