Der Mord an Matthias Erzberger – und was er mit Bad Schwartau zu tun hat

Ein Jahrhundert ist es her, da erschütterte der Mord an Matthias Erzberger die junge deutsche Demokratie, die sogenannte „Weimarer Republik“. Der katholische Zentrumspolitiker war das Opfer einer rechtsradikalen, geheimen Terrorgruppe, der „Organisation Consul“. Ihre Spuren führen bis nach Bad Schwartau.

Wanderwege auf den bewaldeten Höhen ringsum, ein 16 Meter hoher Aussichtsturm, eine Sommerskisprungschanze, ein Kurpark, und – natürlich – eine Quelle: Bad Griesbach im Schwarzwald, seit 1973 ein Ortsteil von Bad Peterstal-Griesbach, ist auch heute noch ein ländliches Idyll. Hier macht Matthias Erzberger im Sommer 1921 mit seiner Frau und seiner siebenjährigen Tochter einen Kurzurlaub. Am Morgen des 26. August bricht er mit einem Parteifreund zu einem Sonntagsspaziergang auf. Gegen 11 Uhr treffen sie in einem abgelegenen Waldstück auf zwei Männer, die ihnen gefolgt sind: Heinrich Tillessen und Heinrich Schulz. Die ehemaligen Marineoffiziere geben aus nächster Nähe Schüsse auf die Spaziergänger ab. Erzberger taumelt schwer verletzt einen Abhang hinunter, die Mörder verfolgen ihn, finden ihn unter einer Rottanne liegen, wo Schulz das Gemetzel mit zwei Fangschüssen vollendet: Matthias Erzberger, einst Volksschullehrer, dann Redakteur einer katholischen Zeitung, christlicher Gewerkschafter, Reichstagsabgeordneter, bis 1920 Finanzminister der Republik, stirbt knapp einen Monat vor seinem 46. Geburtstag. Sein Parteifreund überlebt.

Novemberverbrecher“

Deutschland reagiert aufgewühlt auf den Mord, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten: Am Tag von Erzbergers Beerdigung demonstrieren in Berlin eine halbe Million meist sozialistisch oder kommunistisch eingestellter Arbeiter mit roten und schwarz-rot-goldenen Fahnen für den christlichen Demokraten und rufen: „Hoch die Republik! Nieder mit den nationalistischen Mordhetzern!“ Die „Mordhetzer“ freilich jubeln, und das nicht klammheimlich, sondern in aller Offenheit. Es finden „Feste“ statt, in denen – die Fahne ist unter ihresgleichen die des untergegangenen Kaiserreichs – gesungen wird: „Nun danket alle Gott für diesen braven Mord. Den Erzhalunken, scharrt ihn ein. Heilig soll uns der Mörder sein, die Fahne Schwarz-Weiß-Rot!“ Woher kommt dieser Hass auf den „Novemberverbrecher“ Erzberger, der bis weit in „gutbürgerliche“ Kreise reicht? Das ist leicht zu erklären und schwer zu verstehen.

… so wäre trotzdem abzuschließen.“

Im Spätsommer 1918 dämmert den Chefs der Obersten Heeresleitung, Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff, dass eine deutsche Niederlage im Weltkrieg nicht mehr abzuwenden ist. Recht unvermittelt verlangen die bislang so siegessicher auftretenden Offiziere am 29. September die sofortige Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen. Verbunden ist das Ultimatum mit der Forderung, eine neue Regierung auf parlamentarischer Grundlage zu bilden – ein Novum im Kaiserreich, in dem der Reichstag bislang von der Macht ferngehalten worden ist. Das Kalkül hinter diesem vermeintlichen Zugeständnis ist es, so Ludendorff, den „linksstehenden Parteien das Odium dieses Friedensschlusses“ anzulasten, also der SPD, der linksliberalen Fortschrittlichen Volkspartei und dem christlich-demokratischen Zentrum. Und so kommt es, dass ein Staatsekretär der ersten parlamentarischen Regierung Deutschlands in Frankreich um Frieden bitten muss: Matthias Erzberger! Hindenburg telegrafiert ihm, er solle versuchen „Erleichterungen zu erreichen. Gelingt Durchsetzung nicht, so wäre trotzdem abzuschließen.“ Am 11. November unterzeichnet Erzberger dann das Abkommen, das über vier Jahre Mord und Totschlag beendet.

„Dolchstoß“

So wäre trotzdem abzuschließen? Ein Jahr später ist davon nicht mehr die Rede. Vor einem Untersuchungsausschuss des Reichstags sagt Hindenburg am 18. November 1919 wider besseres Wissen aus, die deutsche Armee sei nicht besiegt, sondern von hinten „erdolcht“ worden. Das ist ein im Grunde schon damals durchschautes Manöver, das von Erzberger im Reichstag glänzend auseinandergenommen wird. Doch viele, allzu viele wollen nicht wahrhaben, was so offensichtlich ist. Und so kommt Hindenburg mit seiner Lüge durch und rettet, wenn nicht das „Vaterland“, so doch seinen Feldherrnruhm. Für die Weimarer Republik aber ist die „Dolchstoßlegende“ eine schwere Belastung.

Für Matthias Erzberger ist es das Todesurteil.

Aber nicht nur für ihn!

Judensau“

Am 24. Juni 1922 wird Außenminister Walther Rathenau erschossen. Als liberaler Demokrat, „Erfüllungspolitiker“ und „Judensau“ war er den Tätern gleich in mehrfacher Hinsicht verhasst.

Glück hat dagegen der Kasseler Oberbürgermeister Philipp Scheidemann: Wenige Wochen vor dem Mord an Rathenau überlebt der Sozialdemokrat ein Blausäureattentat. Als „Novemberverbrecher“ gilt er, weil er am 9. November 1918 die Republik ausgerufen hat.

Aber nicht nur Hass spielt eine Rolle: Kalkül der Terrorgruppe ist es, mit den Attentaten eine innenpolitische Krise oder einen „Linksputsch“ zu provozieren, um nach dessen Niederschlagung die Macht an eine „nationale“ Regierung zu übertragen.

Zurück zu Erzberger und seinen Mördern: Sie entkommen – vom Münchner Polizeipräsidenten mit falschen Pässen versehen – ins Ausland und kehren erst zwölf Jahre später in ihre Heimat zurück. Denn Hindenburg ist mittlerweile Reichspräsident und gewährt – in bestem Einvernehmen mit seinem Kanzler Adolf Hitler – Straffreiheit für Verbrechen „im Kampfe für die nationale Erhebung des Deutschen Volkes“.

Bayerische Holzverwertungsgesellschaft“

Zunächst aber, 1921, scheint es, als könnten Recht und Strafrecht sich durchsetzen. Unter Federführung der Staatsanwaltschaft Offenburg gelingt es den Behörden nicht nur, die Identität der flüchtigen Mörder zu klären, sie können auch die Hintergründe erhellen: Die Tat wurde von der „Organisation Consul“ (O.C.) geplant, die – getarnt als „Bayerische Holzverwertungsgesellschaft“ – in München residiert. Die Schützen wurden per Los bestimmt und erhielten den Mordbefehl von einem Kapitänleutnant a. D. Manfred von Killinger. Er wird im September 1921 verhaftet. Zugleich stellt sich heraus, dass die „O.C“ ein landesweites Netz von sieben „Oberbezirken“ und 15 „Bezirken“ aufgebaut hat und mit chiffrierten Anweisungen und Kurieren dirigiert.

Zu den Verdächtigen, die daraufhin in ganz Deutschland Besuch von der Polizei bekommen, gehören auch zwei Jurastudenten in Rostock. Einer von ihnen ist Alfred Neese, der spätere Nazi-Bürgermeister von Bad Schwartau.

Judenbeleidigung“

Zur Welt gekommen ist Alfred Neese, Sohn eines Klempnermeisters, am 1. Oktober 1892 in Rostock. An „Michaelis 1910“, also am 29. September, verlässt er das Realgymnasium der Großen Stadtschule Rostock. Am 20. Oktober schreibt sich der Abiturient an der Universität seiner Heimatstadt zum Studium der Mathematik ein.

Im Ersten Weltkrieg ist er Soldat, zuletzt im Rang eines Leutnants.

Im Mai 1919 ist er erneut an der Universität Rostock immatrikuliert. Sein Studienfach jetzt: Rechtswissenschaften.

Im Sommer 1920 verurteilt ihn das Amtsgericht Rostock wegen „Judenbeleidigung“ zu einer Geldstrafe von 50 Mark, ein Jahr später, wieder wegen „Judenbeleidigung“, zu 150 Mark.

Im Mai 1921 schließt er sich als Freikorpsmann einer paramilitärischen Truppe an, der „Sturmkompanie Koppe“, und nimmt in Oberschlesien an den Kämpfen zur Niederschlagung des sogenannten polnischen Aufstands teil. Grund für die dortigen Spannungen ist die Volksabstimmung über die Zugehörigkeit des Gebietes zu Polen oder Deutschland. Neeses Kommandant: Kapitänleutnant a.D. Manfred von Killinger!

… mit der Sauwirtschaft aufräumen“

In Rostock hat Alfred Neese einen Kommilitonen, Kurt Wege, mit dem er in der „Sturmkompanie Koppe“ gekämpft hat. Er ist – so sieht es die Offenburger Staatsanwaltschaft – „Bezirksleiter des Bezirks D – Rostock“ der O.C.. Die Polizei verhaftet ihn am 22. November und beschlagnahmt – allein die Zusammenfassung ist sechs Schreibmaschinenseiten lang – stapelweise belastendes Material bei ihm; darunter ein Blatt mit einer Mahnung, an die Wege sich eindeutig nicht gehalten hat: „keine Schriftstücke in Wohnung der Bezirksleiter“. In der Hauptsache besteht das konspirative Konvolut aus Weisungen der O.C.-Zentrale: Gefragt wird zum Beispiel nach der „Volksstimmung“ in Rostock oder nach der militärischen Stärke von Weges Gruppe; ob sie Ärzte und Artilleristen stellen kann. Befehle betreffen unter anderem Fragen des militärischen Drills – „Unausgebildete“ sollen „mindestens“ die „Handhabung des Gewehrs 98“ beherrschen – und detaillierte Pläne zu Alarmbereitschaft und Mobilmachung. Der Zweck des Ganzen ist einerseits ein möglicher weiterer Einsatz in Oberschlesien, andererseits: Das „bestehende Weimarer System“ zu beseitigen, und zwar „mit allen Mitteln.“ Noch im Juli 1921, kurz bevor er die Spur von Erzberger aufnimmt, schreibt Heinrich Schulz aus München, es werde schon bald eine Gelegenheit geben, in der man „endlich einmal mit der Sauwirtschaft aufräumen kann.“

Schwierig, sich da herauszureden! Wege versucht es trotzdem!

… rein gesellige Zusammenkunft“

Der Name ‚Organisation C‘“, so behauptet Wege am 26. November bei einem Verhör in Offenburg, „war mir bis zur Veröffentlichung in der Zeitung nicht bekannt“. Zwar habe er im Februar an einer Tagung in München teilgenommen, dort aber sei der Name nicht genannt worden. Auch seien auf der Tagung nur „Gegenstände allgemeiner Art“ besprochen worden. Bei seiner Rostocker Gruppe handele es sich um einen „Stammtisch“, der sich „einmal im Monat“, nein: „gelegentlich zu einem gemeinsamen Abend“ traf, es sei „eine rein gesellige Zusammenkunft ohne politischen Charakter“. Ganz kann Wege diese Linie freilich nicht durchhalten: So muss er einräumen, dass er mit seinen „Stammtisch“-Kameraden einmal den „Versammlungsschutz“ für die rechtsradikale deutschnationale Partei übernommen hat, dass er mit „ungefähr 20“ von ihnen in Oberschlesien gekämpft hat. Ebenso plaudert er aus, dass zu den „Gegenständen allgemeiner Art“, die in München thematisiert wurden, auch die „Gefahr eines neuen Links-Putsches“ gezählt habe, und wie man einem solchen „wirkungsvoll entgegentreten“ könne.

Angesichts der chiffrierten Zettelwirtschaft in seiner Wohnung erscheint Weges Lage ohnehin unhaltbar, doch es gibt einen Ausweg: Er sei seit Mai kaum daheim gewesen, daher habe er von den „Schriftstücken der Zentrale München“ zum großen Teil keine Kenntnis. Man solle jemand anderes fragen: „In meiner Abwesenheit führte die Geschäfte als Ortsgruppenleiter der Student Alfred Neese“.

Geheimbündelei“

So kommt es, dass sich im Dezember 1921 auch Alfred Neese in zwei Verhören zur Terrororganisation O.C. äußern muss. Seine Strategie ist der Weges ganz ähnlich, auch wenn er etwas giftiger auftritt als sein Kommilitone, in einigen Punkten zum Beispiel die Aussage verweigert. Eine „Organisation C“, so behauptet auch er, sei ihm unbekannt: „Ich habe den Namen erst aus Zeitungsnachrichten anlässlich der Ermordung Erzbergers gehört.“ Zwar räumt er ein, „in der Abwesenheit Weges die Geschäfte als Ortsgruppenleiter geführt zu haben“, doch auch bei ihm wird diese Ortsgruppe – abgesehen vom Kampfeinsatz „gegen die Polen“ – zu einem „Stammtisch“ „rein gesellschaftlicher Natur“. Um die Post Weges habe auch er, Neese, sich nicht kümmern können. Auch er sei viel unterwegs gewesen und in Rostock nur, um seine im Sterben liegende Mutter noch einmal zu sehen.

Der Staatsanwaltschaft Offenburg glaubt das nicht: Sie leitet – wie zuvor gegen Wege – auch gegen Neese eine Voruntersuchung wegen „Geheimbündelei“ ein.

Dann aber haben Wege und Neese Glück: Auf Antrag des Oberreichsanwalts Ludwig Ebermayer wird im Sommer 1922, kurz vor Abschluss der Offenburger „Geheimbündelei“-Ermittlungen, das gesamte Material an den neuen Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik überwiesen. Dort wird zwar das Verfahren gegen die beiden erneut eröffnet, doch als im Oktober 1924 der Leipziger O.C.-Prozess beginnt, sind sie aus bislang unbekannten Gründen nicht mehr unter den Angeklagten. Ohnehin hätten die beiden Rostocker nicht viel zu befürchten gehabt. Für 18 der 26 Angeklagten endet der Prozess mit Gefängnisstrafen bis zu acht Monaten. Begründet damit, dass in nächster Zeit eine Amnestie zu erwarten sei, brauchen sie ihre Strafe nicht anzutreten.

„‚Parteibuch‘ über Tüchtigkeit“

Alfred Neese macht nun Karriere: Im April 1926 ist er Dr. jur und Obervorsteher im mecklenburigschen Ostseebad Brunshaupten und ab dem 1. November 1927 Bürgermeister von Bad Schwartau. Über seine Wahl gibt es damals zwei Meinungen in der Stadt: Die Sozialdemokraten finden, Neese habe sich bei seiner Vorstellung in der Waldhalle gründlich blamiert, weil er – anders als seine Konkurrenten – zwar kein kommunalpolitisches Programm entwickelt, dafür aber den Geist eines deutschnationalen Diktators offenbart habe. Auch ist er in ihren Augen nur ein „Bürgermeister-Lehrling“, sie plädieren für einen erfahreneren Kandidaten. Die acht Vertreter der „Bürgerlichen Einheitsliste“ im Stadtrat sehen das anders, sie wählen am Ende geschlossen Neese. Die vierköpfige SPD-Fraktion stimmt für Ewald Wendenburg, von 1915 bis 1922 Gemeindevorsteher in Holtenau. Ihr Fazit: „Leider hat das sonst so von Rechts geschmähte ‚Parteibuch‘ über Tüchtigkeit und Erfahrung auf kommunalpolitischem Gebiete gesiegt.“

Neeses O.C.-Vergangenheit scheint nach heutigem Stand der Forschung keine Rolle bei dieser Auseinandersetzung gespielt zu haben. Doch nur wenige Jahre später zeigt sich, dass er selbst sie nicht vergessen hat.

Alter Soldat und Freikorpsmann“

Anfang 1933, als Reichspräsident Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt und mit zwei Notverordnungen den Terror zur Staatsdoktrin macht, gehört Alfred Neese zu den eifrigsten Befürwortern dieser Politik. Anfang Februar schwärzt er den Stockelsdorfer Buchdrucker Fritz Pruter als kommunistischen Unruhestifter an. Mitte Februar lässt er das Bad Schwartauer Rathaus mit der Hakenkreuzfahne beflaggen. Einen Monat später wird bei einer „Flaggenparade“ vor dem Rathaus die schwarz-rot-goldene Fahne der Weimarer Republik verbrannt. In Neeses Ansprache zu diesem Anlass ist von einem Zusammenkünften „rein gesellschaftlicher Natur“ keine Rede mehr. Als „alter Soldat und besonders als Freikorpsmann“ rühmt er sich nicht nur seines Einsatzes in Oberschlesien, sondern auch der Teilnahme an weiteren nationalen „Befreiungsversuchen“, zum Beispiel am Küstriner „Buchrucker-Putsch“ im Oktober 1923.

Am 21. April tritt Neese in die NSDAP ein, beim Aufmarsch zum „Tag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai zeigt er sich in SA-Uniform.

Einmal noch, am 7. März 1933, erheben die vier Sozialdemokraten im Stadtrat ihre Stimme gegen den ungeliebten Bürgermeister: In einem „Dringlichkeitsantrag“ rügen sie die Beflaggung des Rathauses mit der „Parteifahne des Hakenkreuzes“ als „ungesetzliche Maßnahme“ und „eigenmächtige Durchführung parteipolitischer Ansicht“. Das ist angesichts der Verhaftungen und Misshandlungen, angesichts des Wahns, der jetzt alle zu erfassen scheint, ein kleines, aber mutiges Zeichen des Anstands. Den Gang in die Katastrophe kann so etwas aber natürlich nicht verhindern.

Auch für Alfred Neese geht die Sache nicht gut aus.

Deutsches Kreuz in Gold“

Furchtbar und fruchtbar“, so sagen die Einheimischen, ist der Ätna. Seine todbringenden Ausbrüche bescheren dem Land ringsum beste Lavaböden. Auch für Wasser sorgt der Feuerberg, dadurch, dass die Wolken sich an ihm „abregnen“. In diesem landwirtschaftlichen „Paradies“ zu Füßen des Vulkans, unter der südlichen Sonne Siziliens, ruhen in der Kriegsgräberstätte Motta Sant’Anastasia 4561 gefallene deutsche Soldaten. Unter ihnen: Alfred Neese. Ausgezeichnet mit dem „Deutschen Kreuz in Gold“ am 19. Dezember 1941, dann verwundet bei den Kämpfen um Tunis, also irgendwann zwischen November 1942 und Mai 1943, starb er in einem Lazarett in Trapani an der Westküste Siziliens. Das war am 5. Mai 1943. Major Alfred Neese, im Zivilleben also Bürgermeister, wurde 50 Jahre alt.

Sein Wirken in Bad Schwartau ist heute nahezu vergessen.

Oder sollte man sagen: vergeben?

In dem Buch „Bad Schwartau, meine Stadt“, das 2012 zum 100-jährigen Stadtjubiläum vom Bürgerverein herausgegeben wurde, heißt es über ihn: „In der Amtszeit von Dr. Neese wurde die Reichsautobahn durch Bad Schwartau und der Kurparksee angelegt.“ Die Autoren stellen ferner fest, er habe es verstanden, das „Beste für die Bürger zu erreichen“, und attestieren ihm „Weitsicht und eine überwiegend erfolgreiche, zukunftsorientierte Zusammenarbeit mit der (…) Opposition“. Mehr – so meinen sie offenbar – ist über ihn nicht zu sagen.

Vergeben ist auch Paul von Hindenburg. An ihn erinnern in Bad Schwartau ein Hindenburgstein und eine Hindenburgstraße.

Matthias Erzberger, dem christlich-demokratischen Patrioten, wurde eine solche Ehre nicht zuteil.

Literatur:

Manfred Bannow-Lindtke, Spurensuche – Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus in Bad Schwartau-Rensefeld (1929-1945), Bad Schwartau 1993

Christopher Beckmann, Erzberger, Matthias – Publizist, Zentrumspolitiker, Reichsminister, o.J., abgerufen unter: https://www.kas.de/de/statische-inhalte-detail/-/content/erzberger-matthias

Michael Berger, 80. Jahrestag: Mord an Matthias Erzberger, „Der Feind steht rechts“, 2011, abgerufen unter: https://www.vorwaerts.de/artikel/feind-steht-rechts-0

Lorenzo Bovi, Elceno caduti tedeschi in Sicilia e Calabria – 1940/1943, o.J., abgerufen unter:

http://www.lambadoria.it/caduti/Elenco%20Caduti/x%20CADUTI%20TEDESCHI%20SICILIA-%2010lug19.pdf

http://www.lambadoria.it/caduti/Elenco%20Caduti/cimitero-tedesco-motta/Motta%20St.Anastasia%20lobox.pdf

Uwe Bremse und Jens Christiansen, Bad Schwartau, Meine Stadt, Bad Schwartau 2012

Christopher Dowe: Das Erzberger-Attentat, Deutschland 1922, 1946, in: Groenewold/Ignor/Koch (Hrsg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, abgerufen unter: https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/erzberger-attentat/

Fritz Dumanski, Woran Weimar scheiterte, 2000, abgerufen unter: http://www.br-online.de

Alexander Gallus, Dolchstoßlegende: Die Mär vom unbesiegten Heer, in: ZEIT Geschichte Nr. 3/2017

Jürgen Jahncke und Rainer Karl, Aus der Geschichte der katholischen Gemeinde Kühlungsborn, o.J., abgerufen unter: https://www.kirche-kuehlungsborn.de/800-jahre-kirche-kuehlungsborn/katholische-gemeinde-kuehlungsborn/

Sven Felix Kellerhoff, Wie aus Soldaten politische Mörder wurden, 2020, abgerufen unter: https://www.welt.de/geschichte/article207412025/Rechtsterrorismus-Wie-aus-Soldaten-politische-Moerder-wurden.html

Sven Felix Kellerhoff, Rathenau-Mord 1922 – „Kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts!“, 2019, abgerufen unter: https://www.welt.de/geschichte/article195538979/Rathenau-Mord-1922-Kein-Zweifel-Dieser-Feind-steht-rechts.html

Arno Herzig, Jüdisches Leben in Deutschland – 1815-1933: Emanzipation und Akkulturation, 2010, abgerufen unter: https://www.bpb.de/izpb/7674/1815-1933-emanzipation-und-akkulturation?p=all

Gabriele Krüger, Die Brigade Ehrhardt, Hamburg 1971

Wolfgang Kruse: Das Ende des Kaiserreichs: Militärischer Zusammenbruch und Revolution, 2016, abgerufen unter: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ersterweltkrieg/155331/das-ende-des-kaiserreichs

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Günter Randecker: Der gute Geist von Buttenhausen – Oder: die Alternative zum Geist von Potsdam – Vor siebzig Jahren wurde der demokratische Spitzenpolitiker Erzberger von Rechtsradikalen ermordet; in: Die Zeit vom 23. August 1991

Martin Sabrow, Organisation Consul (O.C.), 1920-1922, 2010; in: Historisches Lexikon Bayerns, abgerufen unter:http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Organisation_Consul_(O.C.),_1920-1922

Horst Scheibert, Die Ordensträger der Deutschen Wehrmacht, zit.n.: https://www.tracesofwar.com/persons/12619/Neese-Alfred.htm

Heinrich Schreiber, Kurzer Auszug aus der inhaltsreichen Geschichte Brunshauptens – 50 Jahre Arendsee, o.J., abgerufen unter: https://www.kirche-kuehlungsborn.de/800-jahre-kirche-kuehlungsborn/brunshaupten-arendsee/

Elsa Stöcker: Matthias Erzberger: Leben und politisches Wirken mit Dolchstoßlegende, 2016, abgerufen unter: https://www.geschichte-lernen.net/matthias-erzberger-leben-politisches-wirken-dolchstosslegende/

Wolfram Pyta: Hindenburg – Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007

Johannes Wolff: Die politischen Morde in der Weimarer Republik an den Beispielen Matthias Erzbergers und Walter Rathenaus, 2000, abgerufen unter: https://www.grin.com/document/97635

NN, 26. August 1921 Matthias Erzberger: Mord in Bad Griesbach, 2015, abgerufen unter:

https://www.swr.de/geschichte-des-suedwestens/zeitstrahl/1921__mord-erzberger/-/id=15448514/did=15719654/nid=15448514/1k69vvc/index.html

NN, Deutscher Soldatenfriedhof Motta S. Anastasia, o.J., offizielle Website: https://kriegsgraeberstaetten.volksbund.de/friedhof/motta-stanastasia

NN, Betrachtungen zur Bürgermeisterwahl in Bad Schwartau, in: Lübecker Volksbote vom 2. November 1927, abgerufen unter: http://library.fes.de/luebeck/pdf/1927/1927-257.pdf

NN, Gemeindevorsteher Ewald Wendenburg, o.J., abgerufen unter: http://www.apt-holtenau.de/holtenau-info/history/wendenburg-ewald.htm

NN, Personal-Verzeichnis der Universität Rostock Sommersemester 1919, abgerufen unter: http://rosdok.uni-rostock.de/data/Preview-PuV/PDF/1920_SS_PV.pdf

NN, Kirchenblick 3/2018 Sommer, Ev.-luth. Kirchengemeinde Stockelsdorf, abgerufen unter: https://www.kirche-stockelsdorf.de/images/_Kirchenblick/KirchenBlick_2018-3.pdf

Dokumente:

Immatrikulation von Alfred Neese, Wintersemester 1910/1911, Nr. 8, Permalink: http://purl.uni-rostock.de/matrikel/200010355

Immatrikulation von Alfred Neese, Zwischensemester 1919, Nr. 236, Permalink: http://purl.uni-rostock.de/matrikel/200015922

Untersuchungsakte gegen Kurt Wege und Alfred Neese wegen Geheimbündelei, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, F 179/4 Nr. 149, Permalink: https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-68413-1

Untersuchungsakte gegen Kurt Wege und Alfred Neese wegen Geheimbündelei, Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Freiburg, F 179/4 Nr. 150, Permalink: https://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-68414-1

Verfahren gegen einzelne Personen (Staatsgerichtshof): Bd. 1, Bundesarchiv, BArch R 1507/545, Bemerkung Alfred Neese, Seite 70 (im Digitalisat Seite 80), abgerufen unter: https://invenio.bundesarchiv.de/invenio/main.xhtml

Anklageschrift des Oberreichsanwalts in Leipzig gegen Angehörige der Organisation Consul wegen Geheimbündelei, Landesarchiv Baden-Württemberg, Staatsarchiv Freiburg F 179/4 Nr. 147, Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-68425-2