Der Koalitionsvertrag gibt die Leitplanken der energie- und klimapolitischen Vorhaben vor. Zudem gilt es die Verpflichtungen aus den nationalen, europäischen und im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vereinbarten Klimaschutzzielen 2020, 2030 und 2050 für alle Sektoren zu erfüllen. Dies wird nur über den Umstieg auf Erneuerbare Energien zu erreichen sein. Atomenergie ist als Risikotechnologie und mit Blick auf sowohl die ungelösten Endlagerfragen wie auch Terrorgefahren keine Alternative. Hierauf gilt es auch im europäischen und internationalen Kontext hinzuwirken.
Laut Koalitionsvertrag wird das – dank SPD – erhöhte Ziel verfolgt, den Ausbau der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf etwa 65 Prozent zu erhöhen. Gemessen an den Zahlen aus wissenschaftlichen Analysen ist aber schon heute erkennbar, dass dies zu einer sicheren Erreichung der Klimaschutzziele nicht ausreichen wird. Zudem wird der über die kommenden Jahre allein über den Verkehrsbereich im Zuge wachsender Elektromobilität wachsende Bedarf an Strom aus Erneuerbaren Energien höher sein, als dies heute im Wirtschafts- und Energieministerium angenommen wird. Statt unter 600 TWh werden bis 2030 weit über 700, wenn nicht gar 800 TWh benötigt. Dies erfordert somit einen wesentlich höheren Ausbaubedarf Erneuerbarer Energien, als es zurzeit von der Bundesregierung verfolgt wird.
Dennoch haben sich die Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien über die letzten Jahre deutlich verschlechtert. Hemmnisse wie die Ausschreibungspflicht für Windkraftanlagen oder die Deckelung für Photovoltaik-Anlagen haben den Zubau fast komplett gestoppt. Schätzungen zufolge sind in der Erneuerbare-Energien-Branche bereits 100.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Verschärfend kommt hinzu, dass in den kommenden Jahren alte Erneuerbare-Energien-Anlagen vom Netz gehen. Wir werden mehr Rückbau als Zubau bekommen. Das muss schleunigst geändert werden. Wir brauchen eine Vervierfachung des Ausbaus und auch die Ausschreibungen dürfen nicht mehr in diesem Umfang verpflichtend sein, da sie seit ihrer Einführung im Jahr 2016 zur drastischen Verengung der Akteursvielfalt geführt haben.
Die für einen beschleunigten Windenergieausbau zu beseitigenden Genehmigungshemmnisse sind allerdings leider bislang nicht im Klimaschutzpaket enthalten. Immerhin konnte sich die Regierung allerdings auf eine Abschaffung des 52-GW-Deckels für Photovoltaik verständigen, der im nächsten Jahr die PV-Förderung gestoppt hätte. Aber auch dies gilt es noch gesetzlich zu verankern.
Zum Erreichen der Klimaziele bis 2030 und auch, um Folgewirkungen bestehender Abhängigkeiten von endlichen fossilen Energien zu vermeiden, ist eine beschleunigte Energiewende unabdingbar. Zu den Folgen des Unterlassens und Verschleppens zählen weitere Kriege um Öl, die Vernichtung von Lebensgrundlagen, weitere Belastungen von Umwelt, Gesundheit und Biodiversität sowie drohende Preisexplosionen.
Zentrale Vorhaben entlang der Einigungen des Koalitionsvertrages, die ich über meine Berichterstattungen federführend bearbeiten werde, sind exemplarisch:
Verschärfung des EU-Klimaschutzziels 2030: Die Europäische Union ist weiterhin Taktgeber in der internationalen Klimapolitik. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, hat in ihrer Agenda für Europa mit dem Titel „Eine Union, die mehr erreichen will“ angekündigt, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen ‚Grünen Deal‘ vorzulegen, der unter anderem klare Regeln zur Klimaneutralität Europas bis 2050 beinhaltet. Das europäische Klimaschutzziel von derzeit 40 Prozent Minderung bis 2030 gegenüber 1990 soll diesen Plänen zufolge angehoben werden. Zudem soll das bestehende Europäische Emissionshandelssystem beim Flugverkehr verschärft und das Emissionshandelssystem auf europäischer Ebene auf den Seeverkehr sowie auf die Sektoren Verkehr und Wärme ausgeweitet werden. Diese Themen werde ich als Berichterstatterin für die SPD-Bundestagsfraktion für internationalen Klimaschutz begleiten.
Atom- und Endlagerpolitik: Im Februar 2019 hat das Bundeswirtschaftsministerium den Inhalt des Gesetzentwurfs des Geologiedatengesetzes vorgestellt. Geologische Fakten und Daten spielen eine Schlüsselrolle bei der aktuellen Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle. Das Standortauswahlgesetz (StandAG), das die gesetzliche Grundlage bildet, sieht vor, dass die Endlagerung tief unter der Erde, in sogenannten tiefen geologischen Formationen erfolgen soll. In ganz Deutschland wird nun ein Standort mit der bestmöglichen Sicherheit für ein Endlager gesucht. Dabei finden umfassende geologische Bewertungen statt. Deshalb sind die geologischen Daten als Grundlage so wichtig. Das Geologiedatengesetz (GeolDG), das derzeit in Vorbereitung ist, soll insbesondere die Verfügbarkeit und Veröffentlichung dieser Daten neu regeln. Mit dem Gesetz wird eine umfassende Pflicht zur Sicherung geologischer Daten zum Zweck des Erhalts, der dauerhaften Lesbarkeit und Verfügbarkeit dieser Daten für alle bestehenden und künftigen geologischen Aufgaben des Bundes und der Länder verankert. Zudem ist die öffentliche Bereitstellung geologischer Daten ein wesentliches Element des Gesetzes.
Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vereint mehrere gesetzgeberische Maßnahmen. Zur Eindämmung missbräuchlicher Abmahnungen sieht er höhere Anforderungen an die Befugnis zur Geltendmachung von Ansprüchen, die Verringerung finanzieller Anreize für Abmahnungen, mehr Transparenz sowie vereinfachte Möglichkeiten zur Geltendmachung von Gegenansprüchen vor. Die erste Lesung zum Gesetzentwurf fand Ende September 2019 statt. Am 23. Oktober war der Gesetzentwurf der Bundesregierung Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.
Whistleblowing-Richtlinie: Am 7. Oktober 2019 hat die Europäische Union die „Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden […]“ verabschiedet (Whistleblowing-Richtlinie; WBRL). Erklärtes Ziel dieser Richtlinie ist es, Whistleblower in der gesamten Europäischen Union besser zu schützen und die strukturellen Rahmenbedingungen für Whistleblowing in privaten wie öffentlichen Organisationen entscheidend zu verbessern. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, um die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen.
Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) hat sich in dieser Legislaturperiode das Ziel gesetzt einen Schwerpunkt seiner Arbeit darauf zu legen, wie das Thema Nachhaltigkeit stärker ausgebaut werden kann. Zusätzlich möchte der PBnE in der 19. Wahlperiode verstärkt dafür Sorge tragen, parlamentsintern und -extern die Arbeit des Nachhaltigkeitsbeirats als auch die Agenda 2030 bekannter als bisher zu machen. Es soll über Öffentlichkeitsaktionen hinaus mehr Thematisierung von Beiratsthemen in parlamentarischen Debatten geben. Der PBnE spricht sich dafür aus, bei den jährlichen Haushaltsberatungen zum Einzelplan der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramts regelmäßig das dort angesiedelte Thema Nachhaltigkeit zu debattieren. Als zuständige Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion zu den Fragen der Weiterentwicklung des Beirats, erarbeite ich mit VertreterInnen der anderen Fraktionen derzeit ein Konzept zur Fortentwicklung des PBnE.
Weiter steht etwa auf der Agenda:
- 219a StGB: Sowohl weitergehende strafrechtliche Verurteilungen von Ärztinnen und Ärzten aufgrund von Informationen über Schwangerschaftsabbrüche als auch nur lückenhafter Informationen über die mit dem neu eingeführten Abs. 4 gegebenen Informationen in Form der durch die Bundesärztekammer veröffentlichten Liste (derzeit 268 Einträge von ca. 1200 deutschlandweiten FrauenärztInnen, die schätzungsweise Schwangerschaftsabbrüche vornehmen) sollten uns veranlassen, die Umsetzung des im Frühjahr gefundenen Kompromisses zu § 219a StGB zu hinterfragen. Es kann nicht sein, dass legale ärztliche Handlungen faktisch kriminalisiert werden. Auf meine Initiative hin, befasst sich die Arbeitsgruppe Recht und Verbraucherschutz der SPD-Bundestagsfraktion in Kooperation mit den SPD-Arbeitsgemeinschaften der mitberatenden Ausschüsse mit den Folgewirkungen der jüngsten Gesetzesänderung um eine Bestandsaufnahme zu erstellen und um daraufhin weiteres Vorgehen abstimmen zu können. Klar bleibt dabei: Die SPD-Bundestagsfraktion hatte sich gegenüber dem Koalitionspartner CCU/CSU für eine Streichung des § 219a StGB eingesetzt, dies aber nicht durchsetzen können.
CO2-Bepreisung: Die Bundesregierung hat Ende Oktober 2019 als Teil des Klimaschutzpaketes den Entwurf eines Brennstoffemissionshandelsgesetzes verabschiedet. Dieser Gesetzentwurf für eine CO2-Bepreisung in Form eines Zertifikatehandels erfüllt weder in rechtlicher noch in sachlicher Hinsicht klimaschützende Mindeststandards. Ein Einstiegspreis von 10 Euro kann keine Lenkungswirkung entfalten und blockiert damit weitergehende Maßnahmen einer CO2-Bepreisung. Meines Erachtens sollte das Gesetz in dieser Form nicht verabschiedet werden. Die Schaffung eines Handelssystems mit Höchstpreisen ist neben rechtlichen Schwierigkeiten zudem ein Widerspruch in sich. Statt eine auf CO2-Vermeidung ausgerichtete Bepreisung einzuführen, die Verlässlichkeit für einen Markt jenseits der Verbrennung fossiler Energien schafft, wird mit dem nun verabschiedenden Entwurf ein weiterer Bestandsschutz für fossile Energien eingerichtet. Zugleich wird eine planbare Basis für regenerative Energien verfehlt. Auch ein wirksamer CO2-Preis kann sozial gerecht ausgestaltet werden – und muss dies auch. Gerechte Preisgestaltung verlangt aber auch, dass nicht länger auf Kosten von Gesundheit und Umwelt CO2 emittiert wird, obwohl Alternativen technisch längst zur Verfügung stehen. Letztere sind auf einen fairen Markt angewiesen. 57 Mrd. Euro klimaschädliche Subventionen ohne wirksamen CO2-Preis verhindern diesen aber. An diesem unhaltbaren Zustand ändert der nun vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf nichts. Zur effektiven Reduktion von Treibhausgasen und Schadstoffen ist eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung in allen Bereichen (Strom, Wärme, Verkehr, Landwirtschaft) erforderlich. Damit diese eine Lenkungswirkung erzielt, soll der Einstiegspreis bei etwa 45-50 Euro pro Tonne liegen. Dieser soll bis 2030 kontinuierlich bis auf 180 Euro pro Tonne steigen. Ein niedriger Einstiegspreis ist sinnvoll, da in der kurzen Frist weder Wirtschaft noch Bürgerinnen und Bürger bzw. Gesellschaft wenige Anpassungsmöglichkeiten haben. Ein festgelegter Anstiegspfad sorgt dabei trotzdem sofort für ausreichend Lenkungswirkung und Planungssicherheit bei Investitionen.
Ausbau Erneuerbarer Energien: Um die Energiewende zu beschleunigen muss u.a. die jährliche Ausbaugrenze für Erneuerbare Energien in Form von Ausbaukorridoren bei Sonne, Wind und Biomasse abgeschafft werden. Stattdessen müssen ambitionierte Ausbaumindestziele definiert werden, bei deren Unterschreitung sofort Maßnahmen zur Erreichung der Mindestziele greifen. Der Mindestzubau bei der Wind- und Solarenergie (Photovoltaik) muss auf jeweils mindestens 7-8 GW, angehoben werde. Zusätzlich sollten auch verbindliche Mindestausbaumengen mit den Ländern vereinbart werden. Des Weiteren soll auf Ausschreibungen, die nach Europa-Recht nicht zwingend erforderlich sind, verzichtet werden, oder es werden zumindest großzügige Ausnahmeregelungen eingeführt, um damit mehr Projekte schneller und einfacher in die Umsetzung zu bringen. Technologieübergreifende Ausschreibungen sollen nicht mehr durchgeführt werden, um einen vernünftig abgestimmten Ausbau von Photovoltaik und Windenergie zu gewährleisten. EEG-Einspeisevergütungen sollen (zumindest vorübergehend) – anstelle von Ausschreibungen – wieder staatlich festgelegt werden, damit möglichst schnell Anreize für einen verstärkten Ausbau der Erneuerbaren Energien geschaffen werden. Damit haben vor allen Dingen die vielen kleinen Akteure (Bürger, Energiegenossenschaften, etc.) wieder deutlich bessere Handlungsmöglichkeiten und die Umsetzungsprozesse werden wesentlich beschleunigt. Die Genehmigungsverfahren für Windenergie sollen beschleunigt werden.
Unabhängig von oben genannten Kernthemen für die 2. Hälfte der Legislaturperiode, möchten ich an dieser Stelle aber auch einige Zeilen zur Koalition zwischen CDU/CSU und SPD insgesamt anführen:
Meiner Ansicht nach lässt die Gesamtsituation der Großen Koalition deren Fortsetzung nicht zu. Beide Volksparteien haben in der Bevölkerung in einem Maße an Vertrauen eingebüßt, dass dies offenkundig Protestwähler und den rechten Rand zunehmend stärkt. Es geht also nicht nur rein um einzelne Themen der Großen Koalition, sondern insbesondere darum, ob der Umgang mit den aktuellen Fragen unserer Zeit in der Koalition geeignet ist, das Zutrauen in die Handlungsfähigkeit der Regierung und Regierungsfraktionen wieder zurück zu gewinnen. Meiner Ansicht nach ist dies aufgrund der zu unterschiedlichen Zielvorstellungen der Koalitionspartner nicht zu erreichen. Die Bevölkerung wird weiter an Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren, wenn etwa die Grundrente an eine Bedürftigkeitsprüfung geknüpft wird. Zugleich muss man sich eingestehen, dass dies bisher im Koalitionsvertrag verankert ist. Die Grundrente ist damit ein Beispiel für widersprüchliche Ziele der Koalitionspartner, die als solche auch dem Koalitionsvertrag zu entnehmen sind. Und auch beim Klimaschutz sind diese gegensätzlichen Ziele wieder zu finden: Während die SPD für ein wirksames Klimaschutzgesetz und Maßnahmen zum verstärkten Ausbau Erneuerbarer Energien in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hat, bekämpfen CDU/CSU dies und haben eben diese Haltung ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert. So etwa mit der „Bedingung“, dass für den Ausbau Erneuerbarer Energien zunächst die „erforderlichen“ Netze verfügbar sein müssen. Hiermit wird auf den nur unter großem Zeitverzug anlaufenden Stromtrassen-Ausbau verwiesen, statt verstärkt – Hand in Hand mit Kommunen und Stadtwerken – auf dezentralen Ausbau zu setzen. Das Klimaschutzprogramm 2030 ist nach einstimmiger Einschätzung aus der Wissenschaft – und auch meiner – nicht geeignet, die Klimaschutzziele sowie den hierfür benötigten Energiewende-Strukturwandel zu erreichen. Es bedarf – gemessen am heutigen Ausbau – einer Vervierfachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien, eines beschleunigten Umstiegs auf Erneuerbare Energien; Ausbaumengen müssen zu Mindestzielen werden; Genehmigungshemmnisse müssen abgebaut werden – von Abständen bei der Flugsicherung, für die es alternative Regelungsoptionen gäbe, bis hin zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und dem Verzicht auf pauschale Abstandsregelungen für Windenergie, die (in Form der 1000 m-Regelung) als weiteres Hemmnis wirken werden.
Die ‚Schwarze Null‘ muss gelockert werden und wir brauchen ein massives Schienen- und Bahnhöfe-Ausbauprogramm, auch damit schon vorhandener Wohnraum in ländlichen Räumen perspektivisch wieder attraktiv werden kann. Zurzeit passiert aber immer noch das Gegenteil: kleine Bahnhöfe werden weiterhin geschlossen; es folgt der Verlust des Landarztes und vieles mehr. Es bedarf eines massiven und umgehenden Umsteuerns. Hierfür muss die SPD die erforderlichen Voraussetzungen schaffen – im ersten Schritt mit einem Ausstieg aus der GroKo.